Mittwoch, 3. Juli 2013
00101101 - Zinut utzaw siwre
mercury mailer, 00:10h
“Soso, zu viel wird dir das! Dabei habe ich noch nicht einmal angefangen.”
Er grinste. Bösartig. Robert. Aber ein anderer Robert. Er war wieder nach Lemuria abgedriftet.
Wahrscheinlich schlief er gerade im Taxi, oder dieser Overload hatte dafür gesorgt, dass er der wirklichen Welt entglitten war. Wenn es überhaupt die wirkliche Welt war. Denn jetzt plötzlich kam er sich so vor, als wäre er aus einem Traum aufgewacht, als hätte er die Begegnung mit Robert in der anderen Welt und die nächtliche Taxifahrt nur geträumt.
Währenddessen hatte sich die Welt in Lemuria weitergedreht. Langsam kamen Erinnerungen - zuerst in Gestalt von Fetzen. Geräuschen, Gerüchen, kurz aufblinkenden Bildern. Dann plötzlich glasklar, als wäre er niemals irgendwo anders gewesen - als hätte die Begegnung mit Robert in der anderen Welt niemals stattgefunden, als wäre es nur ein seltsamer Tagtraum gewesen.
Der Robert in dieser Welt - er hieß anders, aber es war Robert. Gegenüber Andreas hatte er sich vorgestellt als Paramesvarakimahimaka Udayadayaluhai, hatte aber hinzugefügt, er könne ihn Para nennen. So würden ihn alle nennen, einschließlich seiner Jünger. Und genau diese Jünger hatten ihn überwältigt. Ihn und Hatana. Sathi hatte sich verstecken können. Er war so klein, dass er durch die Gitterstäbe passte und so unscheinbar, dass er den Tempel auskundschaften konnte. Gerade war er unterwegs, um nach einer Fluchtmöglichkeit zu suchen. Einfach war es nicht, denn die Zelle, die normalerweise als eine Art Karzer für unartige Novizen diente und dementsprechend karg eingerichtet war, war Tag und Nacht von Paras Schergen bewacht - wenn nicht sogar von Para selbst.
“Das Feuer ist das, was den Menschen erst zum Menschen macht”, sagte Para - er hörte sich wohl genauso gerne reden wie sein Zwilling in Andreas’ Welt. “Ohne Feuer kann er nicht kochen, nicht braten, nicht grillen, und er muss sein Fleisch und sein Gemüse roh essen. Auch Brot kann er nicht mehr backen. So manches Tier nicht mehr jagen. Feuer ist für den Menschen lebensnotwendig. Was aber ist, wenn er eines Tages kein Feuer mehr hat? Selbst das Licht von Mandira wird dann verlöschen.”
“Du wagst es nicht”, stieß Andreas hervor.
“Was wage ich nicht? Der Plan steht fest. Morgen werde ich das Feuer von Aga für immer löschen - und mit ihm das Feuer in dieser Welt und möglicherweise sogar alle Feuer in allen Welten. Aber bevor es soweit ist, wird mir Aga noch einen letzten Dienst erweisen.” Er grinste. “Und euch beide verbrennen.”
Andreas’ Herz schlug schneller. Am liebsten hätte er Robert - pardon, Para - erwürgt. Doch die Gitterstäbe waren dazwischen, und zwei Leibwächter - beide trugen einen weißen Turban und weiße Gewänder, wie es bei den Na’e Vykati üblich war -, sorgten außerdem dafür, dass niemand ihrem Guru zu nahe kam.
“Was passiert mit der Welt, wenn man den Schöpfer tötet?” fragte Para. “Wird dann auch die Welt verlöschen, oder wird sie frei sein? Was passiert mit dem Traum, wenn der Träumer erwacht? Wird er dann immer noch existieren? Oder zerplatzen wie eine Seifenblase?”
“Die Götter werden dich dafür bestrafen!” zischte Andreas. “Möge Aga dein blöde grinsendes Gesicht verbrennen.”
Doch Para lachte nur. “Deine Götter werden dir auch nicht mehr helfen!”
Damit war Andreas mit Hatana allein. “Nut riw nellos saw?” fragte er. Eine Geheimsprache am Hof von Sundari - nichts weiter als Hochlemurisch, das aus irgendwelchen seltsamen Gründen mit der deutschen Sprache identisch war, rückwärts gesprochen. Er hoffte, dass die Wache sie nicht verstand. Aber die Gefahr war gering. Selbst wer das Prinzip der Geheimsprache erkannt hatte, konnte sie nur verstehen, wenn er sie schreiben konnte, da sich die Aussprache änderte, wenn man ein Wort rückwärts schrieb. Und da es in Lemuria nun mal sehr viele Analphabeten gab und die Wache sicherlich auch dazu gehörte, wähnten sich Andreas und Hatana auf der sicheren Seite.
“Ithas fua netraw”, sagte Hatana. “Tsi nut uz saw ßiew re.” Er sprach es als Zinut utzaw siwre aus. Andreas verstand es sofort. Jetzt also ruhte all seine Hoffnung auf Sathi.
Er erwiderte nichts. Es war sehr anstrengend, rückwärts zu sprechen. Auch wenn er ein Talent dazu hatte, mit dem er aber in seiner eigenen Welt immer nur auf Unverständnis stieß. Rückwärts sprechen, das war brotlose Kunst, hatte sein Vater immer gesagt, wenn er bei Tisch damit angefangen hatte. Niemand sonst konnte es verstehen. Erst in Lemuria hatte er angefangen, dieses Talent zu pflegen. Da man sowohl Hoch- als auch Niederlemurisch in ganz Lemuria sprach und verstand, hate der Königshof diese Geheimsprache entwickelt, die vor allem gegenüber Analphabeten sehr wirkungsvoll war.
Er setzte sich in Ermangelung einer Sitzgelegenheit auf den Boden und schwieg. Hatana sah ihn an, gab aber ebenfalls keinen Ton von sich. Andreas blickte hinüber zum Mann mit dem weißen Turban, der sie stets im Blick behielt. Es musste wohl unglaublich langweilig für ihn sein, dachte Andreas. Schließlich konnte der Wächter noch nicht einmal lesen, und Radio und Fernsehen waren in dieser Welt auch noch nicht erfunden, geschweige denn Computer und Internet.
Da er gerade nichts besseres zu tun hatte, beschloss er zu schlafen. Und noch während einschlief, nahm er sich vor, in seiner eigenen Welt möglichst schnell herauszufinden, welche Auswirkungen das Geschehen in Lemuria auf sein eigenes Leben hatten und ob er es riskieren konnte, im Feuer von Aga verbrannt zu werden.
Er grinste. Bösartig. Robert. Aber ein anderer Robert. Er war wieder nach Lemuria abgedriftet.
Wahrscheinlich schlief er gerade im Taxi, oder dieser Overload hatte dafür gesorgt, dass er der wirklichen Welt entglitten war. Wenn es überhaupt die wirkliche Welt war. Denn jetzt plötzlich kam er sich so vor, als wäre er aus einem Traum aufgewacht, als hätte er die Begegnung mit Robert in der anderen Welt und die nächtliche Taxifahrt nur geträumt.
Währenddessen hatte sich die Welt in Lemuria weitergedreht. Langsam kamen Erinnerungen - zuerst in Gestalt von Fetzen. Geräuschen, Gerüchen, kurz aufblinkenden Bildern. Dann plötzlich glasklar, als wäre er niemals irgendwo anders gewesen - als hätte die Begegnung mit Robert in der anderen Welt niemals stattgefunden, als wäre es nur ein seltsamer Tagtraum gewesen.
Der Robert in dieser Welt - er hieß anders, aber es war Robert. Gegenüber Andreas hatte er sich vorgestellt als Paramesvarakimahimaka Udayadayaluhai, hatte aber hinzugefügt, er könne ihn Para nennen. So würden ihn alle nennen, einschließlich seiner Jünger. Und genau diese Jünger hatten ihn überwältigt. Ihn und Hatana. Sathi hatte sich verstecken können. Er war so klein, dass er durch die Gitterstäbe passte und so unscheinbar, dass er den Tempel auskundschaften konnte. Gerade war er unterwegs, um nach einer Fluchtmöglichkeit zu suchen. Einfach war es nicht, denn die Zelle, die normalerweise als eine Art Karzer für unartige Novizen diente und dementsprechend karg eingerichtet war, war Tag und Nacht von Paras Schergen bewacht - wenn nicht sogar von Para selbst.
“Das Feuer ist das, was den Menschen erst zum Menschen macht”, sagte Para - er hörte sich wohl genauso gerne reden wie sein Zwilling in Andreas’ Welt. “Ohne Feuer kann er nicht kochen, nicht braten, nicht grillen, und er muss sein Fleisch und sein Gemüse roh essen. Auch Brot kann er nicht mehr backen. So manches Tier nicht mehr jagen. Feuer ist für den Menschen lebensnotwendig. Was aber ist, wenn er eines Tages kein Feuer mehr hat? Selbst das Licht von Mandira wird dann verlöschen.”
“Du wagst es nicht”, stieß Andreas hervor.
“Was wage ich nicht? Der Plan steht fest. Morgen werde ich das Feuer von Aga für immer löschen - und mit ihm das Feuer in dieser Welt und möglicherweise sogar alle Feuer in allen Welten. Aber bevor es soweit ist, wird mir Aga noch einen letzten Dienst erweisen.” Er grinste. “Und euch beide verbrennen.”
Andreas’ Herz schlug schneller. Am liebsten hätte er Robert - pardon, Para - erwürgt. Doch die Gitterstäbe waren dazwischen, und zwei Leibwächter - beide trugen einen weißen Turban und weiße Gewänder, wie es bei den Na’e Vykati üblich war -, sorgten außerdem dafür, dass niemand ihrem Guru zu nahe kam.
“Was passiert mit der Welt, wenn man den Schöpfer tötet?” fragte Para. “Wird dann auch die Welt verlöschen, oder wird sie frei sein? Was passiert mit dem Traum, wenn der Träumer erwacht? Wird er dann immer noch existieren? Oder zerplatzen wie eine Seifenblase?”
“Die Götter werden dich dafür bestrafen!” zischte Andreas. “Möge Aga dein blöde grinsendes Gesicht verbrennen.”
Doch Para lachte nur. “Deine Götter werden dir auch nicht mehr helfen!”
Damit war Andreas mit Hatana allein. “Nut riw nellos saw?” fragte er. Eine Geheimsprache am Hof von Sundari - nichts weiter als Hochlemurisch, das aus irgendwelchen seltsamen Gründen mit der deutschen Sprache identisch war, rückwärts gesprochen. Er hoffte, dass die Wache sie nicht verstand. Aber die Gefahr war gering. Selbst wer das Prinzip der Geheimsprache erkannt hatte, konnte sie nur verstehen, wenn er sie schreiben konnte, da sich die Aussprache änderte, wenn man ein Wort rückwärts schrieb. Und da es in Lemuria nun mal sehr viele Analphabeten gab und die Wache sicherlich auch dazu gehörte, wähnten sich Andreas und Hatana auf der sicheren Seite.
“Ithas fua netraw”, sagte Hatana. “Tsi nut uz saw ßiew re.” Er sprach es als Zinut utzaw siwre aus. Andreas verstand es sofort. Jetzt also ruhte all seine Hoffnung auf Sathi.
Er erwiderte nichts. Es war sehr anstrengend, rückwärts zu sprechen. Auch wenn er ein Talent dazu hatte, mit dem er aber in seiner eigenen Welt immer nur auf Unverständnis stieß. Rückwärts sprechen, das war brotlose Kunst, hatte sein Vater immer gesagt, wenn er bei Tisch damit angefangen hatte. Niemand sonst konnte es verstehen. Erst in Lemuria hatte er angefangen, dieses Talent zu pflegen. Da man sowohl Hoch- als auch Niederlemurisch in ganz Lemuria sprach und verstand, hate der Königshof diese Geheimsprache entwickelt, die vor allem gegenüber Analphabeten sehr wirkungsvoll war.
Er setzte sich in Ermangelung einer Sitzgelegenheit auf den Boden und schwieg. Hatana sah ihn an, gab aber ebenfalls keinen Ton von sich. Andreas blickte hinüber zum Mann mit dem weißen Turban, der sie stets im Blick behielt. Es musste wohl unglaublich langweilig für ihn sein, dachte Andreas. Schließlich konnte der Wächter noch nicht einmal lesen, und Radio und Fernsehen waren in dieser Welt auch noch nicht erfunden, geschweige denn Computer und Internet.
Da er gerade nichts besseres zu tun hatte, beschloss er zu schlafen. Und noch während einschlief, nahm er sich vor, in seiner eigenen Welt möglichst schnell herauszufinden, welche Auswirkungen das Geschehen in Lemuria auf sein eigenes Leben hatten und ob er es riskieren konnte, im Feuer von Aga verbrannt zu werden.
... comment